Ziele und Wege feministischer Politik im Netz | Heinrich-Boll-Stiftung (2023)

Bei feministischer Internetpolitik geht es im Wesentlichen um vier Hauptbereiche: Internetzugang, Zugang zu Inhalten, Urheberrecht und Datenschutz. Digital Audience wird mittlerweile als fünftgrößter Bereich gehandelt. Jeder dieser Bereiche erfordert eine intersektionale feministische Perspektive, also eine Perspektive, die die ineinandergreifenden und sich überlagernden Formen der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe im Kontext neuer Technologien analysiert.

Nur wenn wir verstehen, wie die Machtübernahmen von Unternehmen und Staat ausgestaltet sind und wie die alltäglichen Diskriminierungsstrukturen nicht nur erneuert, sondern auch verändert oder gar verstärkt werden, können Strategien entwickelt werden, die zu ihrem Abbau beitragen.

Erstens ist der Internetzugang ungleich verteilt. Für die soziale, wirtschaftliche und bildungspolitische Entwicklung jedes Einzelnen, aber auch jeder Gesellschaft ist es wichtig, dass der Zugang (nach Geschlecht) gleich verteilt ist. Feministische Netzwerkpolitik im Zusammenspiel mit feministischer Ökonomie kann hier zu den zu findenden Antworten führen. Weltweit nutzen 12 % weniger Frauen* als Männer* das Internet.

In Deutschland herrscht zumindest in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen eine 100-prozentige Gleichstellung der Geschlechter. Ausschlaggebend ist jedoch oft der wirtschaftliche Status, oft in Kombination mit Geschlecht, Herkunft und Hautfarbe.

Die unübliche Zurschaustellung weiblicher Körper ist reglementiert, Vergewaltigungswitze nicht.

Einmal drinnen, geht es um gleichberechtigten Zugang zu Inhalten, Netzneutralität. Der Zugriff auf Inhalte beinhaltet auch die Möglichkeit, Inhalte und Zielgruppen zu erstellen, d. h. zu bloggen, zu twittern, zu kommentieren oder großartige Fotos auf Instagram zu teilen. Wikipedia ist eines der wenigen Projekte, das die demokratische Blütezeit des Internets in den 1990er und 2000er Jahren überstanden hat.

(Video) Kunst.Politik.Moral. 3/4

Ihr Ziel ist es, das Wissen der Welt barrierefreier und freier zugänglich zu machen. Doch bei all seinen unbestreitbaren Vorzügen bleibt die Frage: Wie vielfältig kann dieses Wissen sein, wenn es zu 90 % von gut ausgebildeten weißen Männern mittleren Alters verfasst wird?

Dieser große Mangel an Vielfalt wirkt sich unter anderem auf die Gemeinschaftsstandards aus. Das bedeutet, dass zum Beispiel Frauen* und ihr Wissen bewusst oder unbewusst oft anders behandelt werden als das Wissen der Männer. In Kommentarspalten werden die Perspektiven von Frauen* viel schneller hinterfragt und ihre Beiträge mit sexuellen Anspielungen und Geschlechterstereotypen abgewertet.

Für Facebook bedeutet das zum Beispiel, dass die Zurschaustellung minderwertiger weiblicher Körper reguliert, Vergewaltigungswitze aber nur selten sanktioniert werden.

Wissen und Möglichkeiten zum Schutz der eigenen Daten im Internet sind ungleich verteilt.

Datenschutz ist das klassische Feld der Netzpolitik. Wissen und Möglichkeiten zum Schutz der eigenen Daten im Internet sind ungleich verteilt. Gefahren werden entlang „Ungleichheitsachsen“ eingeteilt.

Der öffentliche Raum „Internet“ ist für Frauen*, Women* of Color, Women of Color*, LGBTIQ-Personen viel riskanter als für andere Gruppen.

(Video) Feministische Friedenspolitik – Frieden und Care

Hate Speech und digitale Gewalt sind nicht nur Gefahren an sich, sondern werden auch mit der illegalen Nutzung personenbezogener Daten in Verbindung gebracht. Dieses Unrecht hat nun auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erkannt.

Digitale Gewalt als Handlungsfeld

Digitale öffentliche und kommunikative Kultur sowie weit verbreitete Formen von Gewalt sind ein drängendes Thema, da sie zur Ausgrenzung insbesondere von Frauen* führen. Das emanzipatorische und demokratiefördernde Potenzial des Internets ist gefährdet. Feministische Netzpolitik kann hier helfen, Prozesse hin zu einer offenen und gewaltfreien Gesellschaft zu unterstützen.

Seit der Kommerzialisierung des Internets in den 1990er Jahren ist digitale Gewalt ein weit verbreitetes Problem: Hate Speech, Hate Speech, Cybersexismus, Online-Mobbing, Cybermobbing und Doxing. Trotz aller Unterschiede kennen die meisten Frauen*, Women* of Color, Women of Color* und LGBTIQ.

Dies wurde international bereits durch eine Reihe von Studien belegt, belastbare Zahlen für Deutschland liegen jedoch nicht vor. Das Gunda-Werner-Institut zusammen mit Civey (Online-Meinungsumfragenhttps://civey.com) fand unter anderem heraus, dass rund 67 % der Frauen* sich nicht mehr an Online-Diskussionen beteiligen. Und von den wenigen, die es tun, ziehen sich zwei Drittel aufgrund der vielen Hasskommentare zurück, die an sie gerichtet sind.

Selbstregulierung wird betont, um das hohe Gut der Meinungsfreiheit nicht vom Staat einschränken zu lassen.

Patriarchale, rechtspopulistische und rechtskonservative Stimmen bleiben präsent und damit maßgeblich. Auch das Meldeverhalten deutet darauf hin, dass Frauen* häufiger betroffen sind. Generell erstatten die wenigsten Personen Strafanzeige bei der Polizei; die meisten sind Frauen.

(Video) ZeMKI Mediengespräche mit Christian Tipke (Funk): "Glaubwürdiger Journalismus für digital natives"

Wie können also Regelungen entwickelt werden, die Schutz bieten, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken? Wie können Sie gewaltfreie Kommunikation im Internet fördern? Wie wird dies zum Standard?

Lange Zeit wurde das Modell der Selbstregulierung bevorzugt: die altbekannte Netiquette oder der Aufruf, in den Kommentarspalten gewaltfreie Gegenangriffe auf Hass zu formulieren. Rechtliche Eingriffe wurden mehrheitlich abgelehnt. Aus Sicht der Networking Community gibt es mehrere Gründe für diese Präferenz. Auf der einen Seite schwebt über fast allen staatlichen Regulierungslösungen das Damoklesschwert der Vorratsdatenspeicherung, also ein starker Eingriff in die Privatsphäre.

Darüber hinaus wird die Selbstregulierung betont, damit der Staat das hohe Gut der Meinungsfreiheit nicht einschränkt. Die Befürchtung, dass datenhungrige staatliche Strukturen, die die Meinungsfreiheit durch ein Redeverbot, auch Zensur genannt, einschränken wollen, die Oberhand gewinnen, ist berechtigt. Daher wird in feministischen Kontexten darüber diskutiert, wie stark der Staat in die Online-Kommunikation eingreifen soll.

Einerseits ist unser Rechts- und Wertesystem stets von patriarchalischen Werten und Normen geprägt, andererseits hat Deutschland ein Problem des institutionellen Rassismus. Gleichzeitig birgt die Forderung nach mehr gesetzlicher Regulierung auch die Gefahr, weitere Überwachungsstrukturen zu installieren. Die umstrittene Frage nach dem Sinn und der Wirksamkeit von (staatlichen) Sanktionen ist noch nicht beantwortet.

Aber ein Blick auf ein derzeit heiß diskutiertes Beispiel staatlicher Regulierung könnte helfen, ein feministisches Standbein zu finden: das Network Compliance Act.

Das NetzDG: ein erster Schritt

Es ist seit dem 1. Januar 2018 in Kraft und verpflichtet soziale Netzwerke wie Facebook, „eindeutig strafbare Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden und alle illegalen Inhalte innerhalb von sieben Tagen zu entfernen. Zuwiderhandlungen können mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro geahndet werden.

(Video) Entwicklungspolitische Diskussionstage 2022 (2/3)

Facebook, ein gewinnorientiertes Unternehmen, entscheidet nun, was offensichtlich strafbar und was „nur“ illegal ist. Kritiker des Gesetzes befürchten, dass durch die Bußgelder auch nicht rechtswidrige Inhalte entfernt werden und sehen die Meinungsfreiheit gefährdet.

Vor allem die „Zivilisation“ von Geld, Macht und Gewalt dominiert das Internet und den Cyberspace.

Böse Rezensionen (Politik) werden in der Hoffnung gemeldet, dass Facebook sie einfach entfernt. Dies ist auch deshalb problematisch, weil das Gesetz kein Verfahren vorgibt, wie Netzwerke mit irrtümlich entfernten Beiträgen umgehen sollen.

Aber das Gesetz hat einen positiven Punkt: Es sieht vor, dass der inländische Agent die Dienstleistung annimmt. Schließlich muss es in Deutschland einen Ansprechpartner für polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen geben. Zuvor gab es in Irland nur einen bevollmächtigten Vertreter.

Nun ist es möglich, Klagen einzuleiten und auch in Deutschland einzureichen. Dies ist eine wichtige Entwicklung für Anwälte von Opfern digitaler Gewalt. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich das Gesetz konkret auswirken wird, da die Übergangsfristen erst Anfang 2018 enden.

Panorama

Wir werden eine Zivilisation des Geistes im Cyberspace erschaffen. Möge sie humaner und gerechter sein als die Welt, die Ihre Regierungen davor geschaffen haben.“ Mit diesem Satz endet John Perry Barlows „Declaration of Cyberspace Independence“ von 1996. Etwa 20 Jahre später müssen wir zugeben, dass „Zivilisation“ Geld, Macht und Gewalt ist dominieren vor allem das Internet und den Cyberspace, weshalb es grundlegend ist, auch im Recht über eine Kollektivierung von Gewalterfahrungen nachzudenken.

(Video) Evening Lecture »Unheimliche Freunde«: Janina Loh (DE)

Neu könnte hier das Sammelklagerecht mit den entsprechenden Vorstufen sein. Es gibt Hinweise darauf, dass Sammelklagen der richtige Weg sind. Feministinnen könnten auch Artikel 130 des Strafgesetzbuches (Hassreden) nutzen, um die Rechte der Frauen zu stärken*. Diese Analyse und Debatte zu unterstützen und voranzutreiben, ist die Aufgabe feministischer Netzpolitik.

Videos

1. Salafistische Influencer auf TikTok: „Wir vertreten den richtigen Islam!“ | Y-Kollektiv
(Y-Kollektiv)
2. Livestream des 12. Netzpolitischen Abends Wien
(epicenter.works)
3. The 261 Empowerment Talk with Eva Rossmann: How can we activate society to wake up for change?
(261 Fearless)
4. Kultur, Macht, Geschlecht. Positionen und Kontroversen der feministischen Kritik (Prof. Ina Kerner)
(ZAKVideoclips)
5. HISTORY IS IN THE MAKING - A lecture by Friederike Habermann followed by a talk with Dr. Eva Weiler
(Temporary Gallery)
6. CDR Impuls: Feminist Tech Policy – warum es alle angeht und was Unternehmen dazu beitragen können
(Bundesumweltministerium)
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Author: Carlyn Walter

Last Updated: 01/21/2023

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